Holunder (Sambucus nigra)
- Kerstin Mehne
- 3. Juni
- 3 Min. Lesezeit
Ein Augenzwinkern aus der alten Zeit und einem Vorschlag zur Heilkunst.

Familie:Moschuskrautgewächse (Adoxaceae), früher Geißblattgewächse (Caprifoliaceae)
Herkunft:Ursprünglich in Europa, Nordafrika und Westasien beheimatet, heute in weiten Teilen der gemäßigten Zonen verbreitet.
Wuchsform:Ein bis zu 7 Meter hoher Strauch oder kleiner Baum mit weit ausladenden Ästen. Oft an Waldrändern, alten Höfen oder Bachläufen zu finden – immer in Gesellschaft von Menschen.
Blätter:Gefiedert, gegenständig, aus 5–7 eiförmigen Einzelblättern bestehend, mit gesägtem Rand. Beim Zerreiben verbreiten sie einen würzigen Duft – leicht medizinisch, geheimnisvoll.
Blüten:Kleine, weiße, sternförmige Blüten in flachen Dolden, die im späten Frühling erscheinen und einen süßlichen, betörenden Duft verströmen. Sie locken Bienen, Schmetterlinge und Menschen gleichermaßen an.
Standort:Sonnig bis halbschattig, nährstoffreicher, feuchter Boden. Er liebt das Dasein an Wegen, Hecken und Hofecken – wo Leben pulsiert und Geschichten wachsen.

Wortstamm / Ableitung & Bedeutung des Namens:
Wortstamm/Ableitung:
Der Name "Holunder" stammt wahrscheinlich vom althochdeutschen holuntar oder holuntarbaum, was sich auf „hohler Baum“ bezieht – wegen des markhaltigen, hohlen Zweigsystems. Der wissenschaftliche Name Sambucus kommt aus dem Griechischen „sambyke“, einem alten Musikinstrument, das angeblich aus Holunderholz gefertigt wurde.
Bedeutung des Namens:
Der Holunder galt als heiliger Baum, als Schwelle zwischen den Welten. "Holder", "Holla", "Frau Holle" – in seinem Namen klingt altes Wissen, weibliche Urkraft und das Tor zur Anderswelt mit. Es ist der Baum der weisen Alten, die ihre Geschichten zwischen Blütenduft und Beerenschwärze weben.
Inhaltsstoffe:
Flavonoide (Rutin, Quercetin) & Antioxidantien: Schützen vor freien Radikalen und unterstützen das Immunsystem.
Ätherische Öle: Besitzen entzündungshemmende und schleimlösende Eigenschaften.
Vitamin C & Mineralstoffe: Etwa 18 mg Vitamin C und wertvolle Mineralien pro 100 g Blüten stärken den Körper.
Gerb- und Schleimstoffe: Bilden einen schützenden Film auf den Schleimhäuten und lindern Reizhusten.
Glykoside & Aminosäuren: Wirken herzstärkend und geben dem Auszug eine feine Balance aus Würze und Leichtigkeit.
Wirkspektrum:
Immunstärkend: Fördert die Abwehrkräfte und hilft bei Erkältungszeiten.
Schweißtreibend & schleimlösend: Regt das Schwitzen an und erleichtert das Abhusten.
Entzündungshemmend: Mildert leichte Entzündungen von Hals und Atemwegen.
Beruhigend & ausgleichend: Die milde Aromatik entspannt und unterstützt das allgemeine Wohlbefinden.
Gesundheit:
Der Holunder ist ein wahres Kraftpaket aus der Naturapotheke:
Blüten (Sambuci flos): schweißtreibend, fiebersenkend, schleimlösend – bei Erkältung, Husten, Grippe, Sinusitis, Bronchitis.
Beeren (Sambuci fructus): antiviral, antioxidativ, immunstärkend – bei grippalen Infekten, zur Immunabwehr, bei Rheuma, zur Blutreinigung.
Rinde & Blätter: selten verwendet, leicht abführend und harntreibend – mit Vorsicht zu genießen.
Mythologische Geschichte:
Der Holunder galt unseren Vorfahren als heiliger Baum der Göttin Holda (Frau Holle), Hüterin der Schwelle zwischen Leben und Tod. Unter einem Holunder zu schlafen, bedeutete, der Anderswelt näher zu kommen – vielleicht mit einem Traum, vielleicht mit einem Ruf. Wer einen Holunder fällte, ohne sich vorher zu verbeugen, riskierte den Zorn der Alten. In seinen Zweigen wohnten Schutzgeister, Ahnenseelen – eine lebendige Verbindung zur „anderen Seite“.
Aussagen von Kräuterkundigen:
Maria Treben:„Holunder ist die beste Hausapotheke. Seine Blüten reinigen das Blut, seine Beeren stärken es.“
Hildegard von Bingen:Sie nutzte Holunderblüten zur Reinigung von „überhitztem“ Blut und zur Unterstützung bei innerer Unruhe und Fieber.
Pfarrer Kneipp:„Holunder ist die Dorfapotheke in sich. Seine Blüten und Beeren ersetzen manchen Arztbesuch, wenn man ihn zur rechten Zeit gebraucht.“
Theophrastus Bombastus von Hohenheim (Paracelsus):„Der Holunder ist der Arzt des armen Volkes.“ – Viel Heilung für wenig Geld.
Der Holunder ist mehr als nur eine Pflanze – er ist ein Tor, ein Lehrer, ein Freund. Wer sich ihm öffnet, wird nicht nur Gesundheit finden, sondern auch ein Stück uraltes Wissen, das zwischen Dolden und Beerenflut in leisen Liedern mitschwingt.
Quellenangaben:
Maria Treben: „Gesundheit aus der Apotheke Gottes“
Hildegard von Bingen: „Physica“
Sebastian Kneipp: „So sollt ihr leben“
Wolfgang Hensel: „Was blüht denn da?“
Apothekerzeitung, Heilpflanzenlexikon
Volkskundliche Überlieferung